Nach einem Aussetzer von Kathrin Hendrich spielen die DFB-Frauen im EM-Viertelfinale gegen Frankreich über 100 Minuten in Unterzahl. Mit großer Leidenschaft kämpfen sie sich in einem Spiel für die Ewigkeit bis ins Elfmeterschießen, in dem Ann-Katrin Berger hält und trifft.
Deutschland ist bei der EM 2025 ins Halbfinale eingezogen. Gegen Frankreich siegte das Team mit 6:5 im Elfmeterschießen. Nach 120 Minuten hatte es 1:1 gestanden. Grace Geyoro traf für Frankreich per Elfmeter (15. Minute) zur Führung. Für Deutschland war Sjoeke Nüsken erfolgreich (25.). Kathrin Hendrich sah nach einem Foul in der 13. Minute die Rote Karte, Nüsken verschoss in der 69. Minute einen Elfmeter.
“Wir haben heute einfach unsere Mentalität gezeigt”, sagte Berger nach der Partie im Sportschau-Interview. “Da kann ich unfassbar stolz auf meine Mannschaft sein.” Auch Bundestrainer Christian Wück war voll des Lobes: “Es war eine außergewöhnliche kämpferische Leistung.”
Hendrich bekommt Rot fürs Haareziehen
Wück überraschte mit seiner Aufstellung: Giovanna Hoffmann begann im Sturm, Lea Schüller saß zunächst auf der Bank. In der Defensive rückte Franziska Kett neu auf die linke Seite, Sarai Linder übernahm dafür die Position der gesperrten Rechtverteidigerin Carlotta Wamser. Janina Minge agierte als zusätzliche Absicherung vor der Abwehr, die durch Hendrich verstärkt wurde. Laura Freigang musste dafür weichen.
Deutschland versuchte zu Beginn, Stabilität und Robustheit auszustrahlen. Nach nur drei Minuten kollidierte dabei Linder mit Jule Brand – die neue Rechtsverteidigerin musste minutenlang behandelt und bandagiert werden.
Linder kehrte zunächst auf den Platz zurück und konnte aus der Nähe beobachten, wie sich eine Kollegin einen Aussetzer leistete: Hendrich griff bei einem französischen Freistoß abseits des Balles in die Haare von Griedge Mbock Bathy und zog sie mehrere Sekunden an ihrem Zopf. Der VAR meldete sich, Hendrich flog folgerichtig mit Rot vom Platz (13.).
Sjoeke Nüsken kontert Frankreichs Führung
Da die Aktion im Strafraum stattgefunden hatte, gab es obendrein Elfmeter. DFB-Torfrau Berger bekam zwar die Hand an den Schuss von Geyoro, im Tor landete der Ball dennoch. 0:1 und Unterzahl nach einer Viertelstunde – für die Deutschen ein denkbar schlechter Start in das Viertelfinale. Zumal die angeschlagene Linder schließlich doch ausgewechselt werden musste. Sophia Kleinherne kam nach 20 Minuten für sie – als mittlerweile vierte Rechtsverteidigerin der DFB-Frauen während der EM.
Doch Deutschland erholte sich von den frühen Schocks und schlug zurück: Bühl trat eine Ecke scharf in Richtung des ersten Pfostens. Dort kam Nüsken an die Kugel und hebelte sie per Kopf über alle Gegnerinnen hinweg ins lange Eck zum überraschenden 1:1 (25.).
Deutschland verteidigt in Unterzahl leidenschaftlich
Im Anschluss entwickelte sich ein typisches Elf-gegen-Zehn-Spiel. Die Französinnen hatten viel Ballbesitz und suchten nach den Lücken, Deutschland verteidigte leidenschaftlich und hielt die Gegnerinnen erfolgreich vom Tor weg. Ausnahme war eine sehenswerte Kombination, an deren Ende das vermeintliche 2:1 für Frankreich stand – erzielt von Delphine Cascarino per Hacke (40.). Da sie dabei allerdings knapp im Abseits stand, blieb es beim Unentschieden, das die DFB-Frauen dann auch in die Halbzeit retteten.
Diese hauchzarte Abseitsstellung von Cascarino hatte zur Folge, dass der vermeintliche französische Führungstreffer in der 40. Minute wieder einkassiert wurde.
Zu Beginn des zweiten Durchgangs knüpfte das Spiel nahtlos an das Ende des ersten an: Frankreich enttäuschte zunächst – und erzielte dann erneut ein Abseitstor. Geyoro drückte den Ball im Anschluss an einen Eckball über die Linie (57.). Weil Maelle Lakrar zuvor aus dem Abseits kommend eingegriffen hatte, wurde der Treffer durch einen VAR-Einsatz einkassiert.
Nüsken vergibt Elfmeter nach Foul an Brand
In der 69. Minute bot sich dann die unverhoffte Möglichkeit zur deutschen Führung: Brand holte einen Foulelfmeter raus. Nüsken trat an und hätte die DFB-Frauen damit schon in der regulären Spielzeit auf die Siegerstraße bringen können, scheiterte aber an der französischen Torfrau Pauline Peyraud-Magnin.
Also verteidigte Deutschland weiter das Unentschieden gegen die Französinnen, die immer mehr Druck aufbauten. Vor große Aufgaben stellten sie Berger allerdings nicht, die neun deutschen Feldspielerinnen warfen sich erfolgreich in die Zweikämpfe und Schüsse und so hatte das 1:1 nach der regulären Spielzeit Bestand.
Berger rettet verunglückten Minge-Kopfball
In der Verlängerung schienen Frankreich die Ideen und die Power auszugehen – auch, weil Deutschland weiter großartig kämpfte. Die DFB-Defensive drosch die Bälle dabei zur Not auch mal auf die Tribüne und hatte mit diesem Ansatz Erfolg.
Ausnahme war eine wilde Szene, in der sich die Deutschen das Spielgerät fast selbst ins Nest legten: In der 103. Minute wollte Minge klären, ihr Kopfball verrutschte allerdings – Berger rettete mit einer spektakulären Flugeinlage das Unentschieden.
Lattenkracher in letzter Minuter
Bemerkenswert: Erst in der Verlängerung nahm Wück weitere Wechsel vor – unter anderem ersetzte Schüller Hoffmann und Selina Cerci kam für die völlig entkräftete Kett ins Spiel.
In der letzten Minute der Verlängerung klatschte ein Distanzschuss von Melvine Malard an die Latte. Danach hatte es Deutschland überstanden und sich ins Elfmeterschießen gerettet – nach über 100 Minuten in Unterzahl.
Berger hält und trifft
Dort schlug einmal mehr die Stunde von Berger: Die deutsche Torfrau hielt gegen Amel Majri und Alice Sombath und brachte zudem selbst einen Elfmeter im Tor unter. Da für Deutschland außer Sara Däbritz alle Schützinnen verwandelten, stand am Ende der umjubelte 6:5-Sieg.
Das DFB-Team belohnte sich für einen großen Kampf und bekommt es am Mittwoch (21 Uhr, im Ersten und im Livestream auf sportschau.de) im Halbfinale mit dem Turnierfavorit Spanien zu tun.